Bericht über den Grundwehrdienst

Bericht über den Grundwehrdienst im MSR 29 Prora 1972/73 (Bernd Schnorfeil)

Ich leistete vom 03.05.1972 bis zum 28.10.1973 meinen 18-monatigen Grundwehrdienst im Seelanderegiment Prora (MSR 29) ab. Ich war Funker im Kompanietrupp in der 3. MSK des 1. MSB.

Einberufung:

Etwa 3 Wochen vor der Einberufung erhielt ich den Einberufungsbefehl von dem mir zuständigen WKK Riesa. Ich war eigentlich überrascht, den überhaupt schon zu bekommen. Sagten mir doch die Herren vom WKK  noch kurz vorher, dass ich erst mit 25 Jahren gezogen werde, da ich ja nicht bereit war, mich für eine längere Dienstzeit bei der NVA zu verpflichten. Nun sollte ich doch noch mit meinen 19 Jahren gezogen werden.

Im Einberufungsbefehl stand Mot.-Schütze Prora. Prora, das war mir schon ein Begriff, arbeitete ich doch in einer Jugendbrigade und da war das Thema Wehrdienst unter uns Kollegen ein viel besprochenes, privat natürlich, da ja immer welche von uns gerade dienten und schon gedient hatten. Einer meiner Kollegen war Jahre vorher auch in Prora als Mot.-Schütze. Der erzählte gar nicht so schlecht von seiner Zeit dort. Dass es noch unbeliebtere NVA-Ecken gab, wie Eggesin, Torgelow, Ueckermünde und Grenze, wusste ich da schon.

Nun ja, am Tag der Einberufung war vormittags Treffpunkt im Bahnhof Dresden-Neustadt, da wo mein Wehrdienst auch nach 18 Monaten wieder enden sollte. Nach Erledigung der Formalitäten und ständigen Belehrungen ging es mit einem Sonderzug in Richtung Rügen. Begleitet wurde dieser Sonderzug von den Herren mit den weißen Mützen und Koppelzeug. Später wusste ich, die waren vom KD, bekam es mit denen noch öfters zu tun. Die sollten im Zug für Einschüchterung und Ordnung sorgen, was ihnen aber nicht gelang. Es war genügend Alkohol an Bord, jeder hatte was dabei. Unterwegs hielt der Sonderzug an vielen Stationen auf der Strecke. Überall stiegen zur NVA eingezogene junge Männer zu bzw. verließen den Zug. Ich glaube, das war in Berlin, Prenzlau, Pasewalk, Stralsund. Die Leute in meinem Waggon fuhren alle bis Prora und waren für das dortige Mot.-Schützenregiment vorgesehen.

Die lange Zugfahrt endete für uns am nächsten Tag, es war schon nachmittags, am Haltepunkt Prora, Endstation für den Zug und das Zivilleben. Noch am Bahnsteig wurden wir von den anwesenden Offizieren an Hand von Listen auf die einzelnen Einheiten aufgeteilt. Das alles geschah unter sehr lautem Getöse dieser Herren, der Umgangston war rüde und herablassend. Nach Taschenkontrollen  ging es dann in versuchter Marschordnung in  Richtung der nahen Kaserne, ein trauriger Zug von ca. 200 jungen Leuten in Zivil, mit langen Haaren, Koffer und Taschen.

Nach dem Passieren des Kasernentores sah ich zum ersten mal den Koloss von Prora. So was hatte ich nicht erwartet. Vor uns zwei 6- geschossige Bauwerke mit den markanten angebauten Treppenhäusern. Die Gebäude waren so lang wie man blicken konnte. Rechts ein graues, verputztes (Block IV) und links davon ein unverputztes mit roten Ziegeln gemauertes Gebäude (Block V). Ganz anders jedenfalls, als wie die Kasernen in meiner Heimatstadt, die noch aus Kaiserzeiten stammten und die von der Roten Armee genutzt wurden. Auch die bei Schulausflügen besuchten  NVA- Kasernen zum Tag der NVA sahen ganz anders aus.

Es ging dann bis zum Ende des rechten Gebäudes, dem Med.-Punkt. Dort wurde in Reihe angestellt, der Oberkörper musste frei gemacht werden und man wurde geimpft. Einmal in den Arm und einmal in die Brust. Aufgemuckt hat da keiner mehr. Wir waren von der langen Zugfahrt, ohne Schlaf mit wenig Essen und viel Alkohol geschafft. Der Anblick der Kaserne, dem Rumgeschreie und dem nun Ausgesetztsein gegenüber den Vorgesetzten haben auch mich sehr nachdenklich gemacht.

Wir wurden dann in unsere Unterkunft geführt, die in der Mitte von Block V, dem unverputzten Block, lag. Unterwegs auf den Betonstraßen und den staubigen Plätzen vor den Gebäuden exerzierten die schon eingekleideten Wehrpflichtigen die ersten militärischen Schritte. Es sah sehr unbeholfen aus. Die Soldaten in ihren neuen Felddienstanzügen mit schlecht sitzenden Stahlhelmen und Tragegestellen und die das Kommando gebenden Unteroffiziere mit ihren Schirmmützen.

An diesem, meinem ersten Tag in Prora, passierte nicht mehr viel. Die Haare wurden noch geschnitten, von anderen schon länger dienenden Soldaten, die dafür als geeignet ausgesucht waren. Das geschah gleich auf dem Flur der Unterkunft. (es gab auch einen zivilen Friseursalon in der Kaserne, den wir später benutzen durften) Die Einkleidung für uns geschah erst am nächsten Tag. Nachdem wir auf die Stuben aufgeteilt wurden, stellte ich schnell fest: keine EK´s. da. Auch die anderen Soldaten waren neu waren, nur dass die schon einen Tag da waren wegen der kürzeren Anreise und somit schon eingekleidet waren.

Es wurde noch zum Abendessen rausgetreten, eine bunte Truppe noch. Teils in Felddienstanzug, teils in Zivil und manche noch mit langen Haaren. So ging es runter zum Speisesaal, der sich gleich neben unserem Treppenaufgang befand. Ein kurzer Weg also. Tage und Wochen später ging es aber oft erst ein paar mal in Marschkolonne  um den davor liegenden Appellplatz mit Gesang natürlich,  bevor in diesen eingerückt wurde.

Meine ersten Tage und Wochen

Am meinem 2. Tag in Prora wurden wir eingekleidet. Alle Klamotten  und Ausrüstungsgegenstände in eine Zeltbahn und dann auf die Stube, Schrank einräumen nach Dienstvorschrift. Das geschah unter Anleitung unseres  Kompanietruppführers, eines Unteroffiziers, der sein 3. Diensthalbjahr begann, also nach der Uffz.-Schule bereits ein  halbes in der Kompanie diente und ein halbes Jahr nach uns nach Hause gehen sollte. Jeden falls kein frischer von der Uffz-Schule der keine Ahnung von der Praxis hatte. Von Vorteil war beim Schrankbau auch, dass schon 3 von uns 8 Neuen einen Tag früher da waren,  deren Schränke konnten wir als Muster anschauen. Probleme gab es auch mit dem Zusammenpacken von Teil 1 und 2. Da kamen ja Decken und Zeltausrüstung außen rum und das musste exakt aussehen.

Am 3. oder 4.Tag kam unser Truppführer zu mir und sagt, dass ich der Kompaniefunker sei und er werde mich zur Nachrichtenkompanie bringen zur dortigen Ausbildung. Überhaupt hatte man uns nicht  gesagt was der einzelne so machen sollte. Einer von uns entdeckte dann die sogenannte Stärketafel  beim UvD-Tisch., da konnte man dann die Struktur der Kompanie und die Funktion aller sehen. Jeder Soldat, Unteroffizier und Offizier hatte sein Namen mitseiner Funktion auf einem Papp- oder Holzschild. Die Namen wurden dann entsprechend bei Abwesenheit, wie Krankheit, Kommandierung, Knast oder Urlaub (selten) umgesteckt. War aber sinnvoll.

Die Kompanie bestand aus drei Zügen mit je ca. 30 Soldaten als Mpi-, LMG- und Panzerbüchsen- Schützen sowie 3 Kraftfahrer und Richtschützen für die SPW , wir hatten die 8-rädrigen ohne Turm. Die waren wohl schon etwas betagt, fuhr doch die TUS von neben an schon mit den moderneren Ketten- SPW mit  Kanone auf unserem Muckergelände“ Wunschberg“ rum.

Neben den drei Zügen mit je drei Gruppen gab es noch den Kompanietrupp mit Kraftfahrer, Richtschütze, Scharfschütze, Sani, Funker, Schreiber und zwei „Strela“-Schützen. Die beiden haben ihre Waffe nie gesehen. Das war diese Flugzeugabwehrrakete, die man von der Schulter aus abfeuern konnte.  Die beiden wurden dann auch sogleich B-A Kammerbullen mit eignem Schlüssel zu diesem Ort. Die beiden wurden sehr wichtig für uns.  Kam man doch bevorzugt an bestimmte Sachen ran wie  saubere Unterwäsche nach Bedarf und nicht nach Befehl 1x die Woche, verlorene und verschlammte Gegenstände  konnte man da ersetzen. Auch wurden da verbotene Sachen einlagert wie Alkohol. Vor Weihnachten und Silvester 1972 lagerten da wohl fast alle dafür eingeschmuggelten Flaschen der Kompanie, eben ein vertrauensvoller Posten so als B-A Bulle. Später nahmen wir gelegentlich auch den unbeliebten Frühsport in dieser Kammer ein.

Jedenfalls blieben wir 8 in dieser Zusammensetzung die 1,5 Jahre im Kompanietrupp zusammen. Es war eine Mischung vom 7.- Klassenabgänger ohne Berufsausbildung über Facharbeiter bis zum Abiturienten. Eben das Abbild von Draußen. Wir kamen aber  gut mit einander zurecht. Auch mit allen anderen Soldaten der Kompanie, was daran lag, dass wir alle ein Diensthalbjahr waren. Drangsalierungen von Ek`s konnte es somit gar nicht geben. Wir hatten als Spritzer, Vieze und EK immer unsere Stuben  und Reviere selbst sauber machen müssen. In den 1,5 Jahren sind mir in unserer Kompanie nie Übergriffe untereinander bekannt  geworden. Das mag in den durchmischten  Stabs-, Nachrichten-, Truppenluftabwehr-, Instandsetzungs- ,Pionier-,  Chemie-, Panzerkompanieen ganz anders ausgesehen haben.

Die Kompanieführung bestand aus dem Kompaniechef,  Innendienstleiter (Spieß), Politnik, Technikbeauftragter und den drei Zugführern. Es waren aber nur zwei Offiziere dabei, der KC war ein Oberleutnant und ein Zugführer war Leutnant der Rest der Führung waren Berufssoldaten  zwischen Feldwebel und Stabsfeldwebel. Langgediente die schon ihre 10-12 Jahre hinter sich hatten und somit auch durchblickten. Im Grunde wollten die auch nur ihre Ruhe haben, höhere Dienstgrade und- stellungen konnten die nicht mehr erreichen. Fähnriche gab es zu dieser Zeit noch nicht Die hätten schon  Zivilist sein können.

 

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